"Heut Nacht ist sie ein Mann"
Mitternacht, der Mond ist voll
Und sie wird langsam wach
irgendwas ist sonderbar
sie denkt nicht drüber nach
Sie fährt sich durch die Haare
sie sind nicht mehr weich und lang
auf einmal sind sie kurz und glatt
wie die von einem Mann
Sie rennt ins Bad zum Spiegel hin
und erst glaubt sie’s einfach nicht
sie sieht sich selbst und trotzdem nicht
es ist nicht ihr Gesicht
Schultern breiter, Muskeln fest
es fühlt sich anders an
unrasiertes, hartes Kinn
heut Nacht ist sie ein Mann
Szenenwechsel, eine Bar
diffuses, rotes Licht
die tiefen Blicke einer Frau
sie fragen: willst du mich
Tanzen eng und enger
Hände fassen gierig an
Zimmer, eine Treppe hoch
Heut Nacht ist sie ein Mann
Spüren, was ein Mann sonst spürt
nicht schlecht und auch nicht gut
hastig küssen nicht erlaubt
fremder, kleiner Tod
Blauer Rauch am Fenster
man zieht sich schweigend an
ein flüchtiges Aufwiedersehen
Heut Nacht ist sie ein Mann
Sechs Uhr früh zu Haus
mein Haar ist wieder lang
ich mag es eine Frau zu sein
doch heut Nacht war ich ein Mann
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Julianes Kommentar:
Ein Mann zu sein - oft habe ich mir vorgestellt, wie sich das für mich anfühlen könnte. Wie es wäre eine Nacht lang als Mann zu leben. Wie es wäre, Liebe mit einer Frau zu machen. Was für Gefühle ich hätte, wie ich denken würde, wie fremd der kleine Tod wirklich wäre. Welche Sehnsüchte, welche Körperempfindungen ich hätte. Es bleibt für immer Phantasie... oder nicht?